Etwas ausführlicher zum Röhrichtthema…

Hier nun eine etwas ausführlichere Behandlung des in letzter Zeit öfter in der Presse zu findenden Themas.

Die Problematik des Röhrichtrückgangs ist am Dümmer ja nicht neu. Die nachfolgende Karte zeigt wie früh bereits großflächige Flächenverluste feststellbar waren.

Die grünen Flächen stellen den Röhrichtbestand im Jahr 1970 dar. Dabei sind besonders die weiten Röhrichtausdehnungen in der Nord- und Südbucht und die zahlreichen Teichbinseninseln im Freiwasser bemerkenswert. In orange ist die Röhrichtausdehnung 1980 eingezeichnet. Hier ist insbesondere der starke Rückgang der Binseninseln innerhalb von nur 10 Jahren sichtbar. Die rote Fläche ist die Röhrichtausdehnung im Jahr 2008.

Remmer Akkermann ist es zu verdanken, dass Daten zum überaus schädlichen Einfluss des Bisams vorliegen. Er untersuchte im Rahmen seiner Doktorarbeit den Bisambestand am Dümmer und dessen Auswirkungen auf das Ökosystem.
Dabei ermittelte er für den Winter 1971/1972 eine Gesamtzahl von 771 Winterburgen. Diese baut der Bisam in der Verlandungszone, in der er keine Erdbaue graben kann, aus Pflanzenmaterial auf. Der Bisambestand lag bis dahin mit jährlichen Schwankungen zwischen 2.000 und 3.000 Stück. Für diese berechnete Akkermann einen Konsum frischer Biomasse von rd. 3.070 t pro Jahr, was einem Röhrichtverlust von 12,9 bis 14,6 ha pro Jahr entsprach. Akkermann gibt somit als Flächenverlust, der im Zeitraum 1964-1974 durch den Bisam verursacht wurde, 48 ha an, was 22 % der gesamten Röhrichtfläche entspricht. Somit lässt sich der Großteil der in der oben dargestellten Karte sichtbaren Röhrichtverluste bereits mit dem enormen Nahrungsbedarf des Bisam erklären.

Glücklicherweise brach der Bestand des Bisams, der ja ursprünglich aus Nordamerika stammt und hier nicht heimisch ist, ab dem Beginn der 1970er Jahre zusammen. Heute haben wir wahrscheinlich nur noch einen Bestand von unter 100 Bisams im Dümmer. Die Zahl der Winterburgen ist von früher über 700 auf unter 50 zurückgegangen.

Bekanntlich wurden jedoch in den 1960er Jahren Graugänse am Dümmer wiederangesiedelt, haben sich seitdem munter vermehrt und die Rolle des Bisams als Hauptverursacher von Fraßschäden übernommen.
Da uns eine umfassende Diasammlung von Herrn Akkermann vorliegt, finden sich Belegaufnahmen wie die folgende, die bereits am 16.10.1976 das gänsetypische Fraßbild an Binsenbeständen im Nordwesten des Sees (aufgenommen mit Blickrichtung Fennekerwiesen) zeigen. Im Vordergrund an den Einzelpflanzen ist es genau zu erkennen, aber auch der große Bestand im Hintergrund ist großflächig in Kopfhöhe der Gänse abgeknickt bzw. abgefressen.

Foto: Remmer Akkermann, 1976.
Dieses Bild von Willi Rolfes, das ca. 1990 aufgenommen wurde, zeigt an den letzten vorhandenen Teichbinseninseln ebenfalls das typische Fraßbild von Gänsen.

Nach dem mehr oder weniger vollständigen Verschwinden der Binsenbestände im Freiwasser sowie der wasserdurchfluteten Uferröhrichte, wurden großflächige Fraßschäden am Uferschilf ab etwa 2013 sichtbar. Hierzu muss man sagen, dass der Graugansbestand natürlich vom Prädatorenmanagement zum Wiesenvogelschutz profitiert hat. Denn die ab 2010 deutlich im Bestand reduzierten Raubsäuger haben natürlich nicht nur Kiebitz- und Uferschnepfeneier, sondern auch Grauganseier gefressen. Aber zurück zum vorherigen Zustand, in dem kaum Wiesenvogelgelege zum Schlupf kamen, kann und möchte natürlich auch niemand. Der Dümmer hat sich mittlerweile zu einem der besten Wiesenvogelbrutgebiete in ganz Europa entwickelt, die Bestände diverser Arten haben sich verfielfacht und es kommen Naturfreunde aus ganz Europa zum Beobachten und Fotografieren an den Dümmer. Abgesehen davon, dass das niemand aufgeben möchte, steht dem auch das nationale und europäische Artenschutzrecht entgegen.
Auch unabhängig vom Prädatorenmanagement befindet sich der Graugansbestand europaweit im Aufwind. Gerade hier bei uns in der Region haben eine energiereiche Äsung auf intensiv landwirtschaftlich genutzten Flächen und zahlreiche neue Brutgebiete in wiedervernässten Hochmooren dazu beigetragen. Die geringen Raubsäugerdichten haben somit eine ohnehin stattfindende Entwicklung nur beschleunigt, aber dass dieser Eingriff nicht ohne Auswirkungen blieb, ist uns klar.

Luftaufnahme des Schilfs in der Südbucht aus dem Jahr 2013. Hier sind bereits großflächige Fraßschäden entlang des Ufers und im Schilf zwischen dem Weidengebüsch in der unteren Bildmitte zu sehen. Foto: Oliver Lange/NLWKN.
Diese Drohnenaufnahme zeigt weit in das Uferschilf der Südbucht hineinreichende Fraßschäden am 18.6.2016. Foto: Marcel Holy

Da immer deutlicher wurde, welchen Einfluss Fraßschäden auf das Röhricht am Dümmer haben, haben wir ab 2016 Schilfbestände eingezäunt, um den „Einflussfaktor Fraßdruck“ auszuschließen. Durch das dünne Sechseckgeflecht, das wir verwendet haben, wurden alle anderen Faktoren wie Wellengang, Wasserstandshöhe, Wasserqualität und Verschlammung nicht beeinflusst und wirkten in den gezäunten Bereichen und den daneben liegenden, ungeschützten Vergleichsabschnitten gleich.

Einzäunung von Uferschilf zur Bewertung des Fraßdrucks, hier in der Nordbucht des Dümmers im Jahr des Untersuchungsbeginns 2016. Foto: Marcel Holy
Hier ist der Aufbau zu sehen: Ein Schilfbestand wurde eingezäunt. Die Eckpfosten wurden mit weißen Platten markiert. Daneben befindet sich der ungezäunte Vergleichsabschnitt, der ebenfalls mit Pfosten markiert ist. Die Dokumentation erfolgte vom Boden bzw. Wasser, mit der Drohne aus der Luft und per Messung. Die weißen Markierungen an den Pfosten ermöglichten es, die Drohnenaufnahmen so übereinander zu legen, dass Ausbreitungen bzw. Rückgänge dargestellt werden konnten. Aufnahme aus der Südbucht des Dümmer im April 2016. Foto: Marcel Holy
Hier der Schilfbestand aus der vorhergehenden Drohnenaufnahme vom Wasser aus fotografiert. Die Aufnahme vom 6. Juni 2016 zeigt innerhalb der Einzäunung einen vitalen Schilfbestand, der sich weiter in die Einzäunung ausgedehnt hat. Außerhalb ist das Schilf vollständig gänsetypisch abgefressen. Foto: Marcel Holy
Hier der daneben liegende Vergleichsabschnitt, ebenfalls mit deutlichen Fraßschäden.
Die durchgeführten Messungen zeigten an allen Stellen Ausbreitungen des Schilfs innerhalb der Einzäunungen, hier dargestellt anhand der Mittelwerte aller Abschnittsmessungen. Außerhalb der Einzäunungen gab es in der Regel Rückgänge. Lediglich in der Nordbucht blieb der ungeschützte Schilfbestand etwa konstant und an der Nordseite der Vogelwiese, direkt gegenüber der Kranalge an der Einmündung des Marler Grabens, gab es auch außerhalb der Einzäunung eine Ausbreitung des Schilfs um etwa einen halben Meter. Die Maximalwerte lagen bei Rückgängen von bis zu 6 m und Ausbreitungen von 3,5 m gegenüber der vorjährigen Schilfkante.

Im März 2017 haben wir dann die bis dahin überwiegend zwischen dem Südost- und Nordufer auf Mineralgrund liegenden Einzäunungen um eine weitere auf Niedermoorboden ergänzt. So wurden alle möglichen Untergründe, Wassertiefen, Wind- und Wellenexpositionen abgedeckt. Foto: NUVD
Und auch hier das gleich Bild. Die aus mehreren Einzelbildern zusammengesetzte Drohnenaufnahme zeigt wieder sehr großflächige Fraßschäden am Uferschilf, nur in der Einzäunung aus der vorhergehenden Aufnahme, rechts vom Weidenbusch am Beginn des rechten Bilddrittels, wächst des Schilf bestens. Aufnahme aus dem Juli 2017. Foto: Marcel Holy

Diese Versuche haben wir dann mehrere Jahre weitergeführt, was sich jedoch als sehr aufwändig herausgestellt hat, da sich einerseits das Schilf innerhalb der Zäune ausgebreitet hat und diese immer wieder weiter in den See gerückt werden mussten (man muss immer relativ nah am Schilf zäunen, da die Gänse sonst in die Einzäunungen fliegen können), andererseits kam es durch Treibgut, Eisgang und Korrosion immer wieder zu Schäden an den Zäunen, die Reparaturen notwendig machten oder, wenn sie zu spät entdeckt wurden, auch die ganzen bis dahin erzielten Erfolge zunichtemachten, da doch wieder Tiere in die verlockenden Schilfbestände gelangt waren.
Grundsätzlich haben die Versuche jedoch gezeigt, dass das Schilf innerhalb des Dümmers unter den aktuellen Bedingungen (Wasserstand, Nährstoffsituation, Wellenschlag etc.) sehr wohl in der Lage ist, gesund zu wachsen und sich weiter in den See auszubreiten. Innerhalb der Einzäunungen hat das Schilf problemlos Wassertiefen von über 70 cm erreicht und damit Fischen und anderen aquatischen Orgenismen einen wichtigen Lebensraum geboten.

Zusätzlich haben wir, da ja die Teichbinse früher eine enorme ökologische Bedeutung für den See hatte, auch mit dieser Pflanze Versuche gestartet. Da im See selbst keine geeigneten Vorkommen mehr vorhanden waren, die man mit Zäunen hätte schützen können, haben wir aus autochthonen Samen Teichbinsenpflanzen gezüchtet und im See gepflanzt.

Teichbinsen vor der Pflanzung am 1. August 2016. Foto: Marcel Holy
Außen mit einem Schutzzaun umgebene Pflanzung im Dümmer am 1. August 2016. zusätzlich wurde die Hälfte der Pflanzen noch mit einem Einzelschutz ausgestattet. Foto: Marcel Holy
Etwa ein Jahr später, am 26. Juli 2017, haben sich die Teichbinsen bereits prächtig entwickelt. Foto: Marcel Holy
Doch nicht nur ufernah, auch mehrere Hundert Meter vom Ufer entfernt, so wie hier in der Südbucht, funktionierte die Pflanzung von Teichbinsen problemlos und die Pflanzen entwickelten sich innerhalb der Fraßschutzzäune üppig. Foto: Marcel Holy

Die Einzäunungen von Schilf am Ufer und von Teichbinsen im Freiwasser zeigten somit das gleiche Bild: So lange sie niemand abfrisst, sind beide Pflanzenarten nach wie vor problemlos in der Lage, sich im Dümmer zu etablieren und auszubreiten. Die Rolle weiterer Einflussfaktoren kann vernachlässigt werden und ist nicht ursächlich für die Rückgänge bzw. das aktuelle Fehlen.

Ab etwa 2012 kam dann, als ebenfalls invasiver „Nachfolger“ des Bisams, der bis heute auf einem relativen niedrigen Bestandsniveau geblieben ist, die Nutria in die Dümmerniederung.

Erste in der Dümmerniederung gefangene Nutria, Oktober 2012 in den Borringhauser Wiesen. Foto: Marcel Holy

Nutrias können Röhrichte deutlich nachhaltiger Schädigen als Gänse und andere Wasservögel, da sie nicht nur oberirdische Vegetation abfressen, sondern auch Wurzeln bzw. Rhizome ausgraben, was zum direkten Absterben der Pflanze führen kann. Teilweise verstärkt sich diese Wirkung gegenseitig, da die enormen Gänsezahlen am Dümmer großflächig die Blätter und grünen Triebe von Röhrichtpflanzen abweiden und für die Nutrias somit im direkten Uferbereich, der natürlich auch für diese Arte bevorzugter Lebensraum ist, zeitweise nur Wurzeln und Rhizome als Nahrungsquellen übrig bleiben.

Kleinflächiger, aber intensiver Nutriaschaden am Südwestufer des Dümmers.

Seit dem Auftauchen der Nutria in der Dümmerniederung wird diese selbstverständlich bejagt, seit 2019 dann auch ausgesprochen intensiv. Besonders hoch ist der Jagddruck in der südlichen Dümmerniederung, da die NUVD hier mit hauptamtlichem Personal dafür sorgen kann, dass fast kein dauerhaft etablierter Nutriabestand mehr vorhanden ist und neu aus der Umgebung zuwandernde Exemplare innerhalb kurzer Zeit wieder erlegt werden.
Im Nordteil des Schutzgebiets übernehmen die privaten Jagdausübungsberechtigten die Nutriabejagung. Dabei kann natürlich nicht die Intensität erreicht werden, die bei hauptamtlicher Jagdausübung möglich ist, aber auch hier gelingt es, den Nutriabestand in Grenzen zu halten.
Innerhalb des Sees übernimmt die Bejagung auch die NUVD, jedoch ist hier ein ungleich höherer Aufwand erforderlich. Aufgrund der Unzugänglichkeit der Seeufer, gerade am Süd-, West- und Nordufer, ist hier die gesamte Bejagung nur per Boot möglich, sowohl um Fallen zu stellen und zu kontrollieren, als auch um sich in Schwerpunktbereich mit der Waffe anzusetzen. Zusätzlich erschweren die flachen, oft verschlammten Ufer das Arbeiten, da man nicht mit Motor bis direkt ans Ufer fahren kann, sondern teilweise (besonders beim um 40 Zentimeter abgesenkten Winterwasserstand) bereits 100 m vom Ufer entfernt nur noch stakend vorankommt.
Jedoch ist es so bislang gelungen, den Nutriabestand im Dümmer auf einem verträglichen Niveau zu halten und die Nutrias, wo sie sich vermehrt haben in kurzer Zeit wieder stark zu reduzieren bzw. sogar zeitweise zu eliminieren.

Hier einmal exemplarisch dargestellt das Ergebnis einer intensiven, zweiwöchigen Fallenaktion im Frühjahr und Herbst 2019. Es wurden jeweils beköderte Fallen an über 30 Stellen am Seeufer gestellt, um Nutrias und Bisams zu fangen (grüne Punkte = Fallenstandorte). Wo im grünen Kreis ein roter Punkt ist, wurden Bisam und/oder Nutria gefangen.

Wir arbeiten schon lange mit Wildkameras, um Bestände zu erfassen und auch die Verursacher von Fraßschäden am Röhricht zu identifizieren. Dabei waren die Anzahlen der erfassten Graugänse stets in ganz anderen Größenordnungen als die von Bisam und Nutria. Um dies auch mit externen Daten zu belegen, seien hier die Ergebnisse einer Wildkamera-Erfassung durch das Gutachterbüro GFN (Gesellschaft für Freilandökologie und Naturschutzplanung mbH) aus Kiel aus dem Jahr 2020 genannt, die 208-mal mehr Graugänse als Bisams und Nutrias ergaben.

Fazit: Nutrias können gravierende Schäden verursachen, der Bestand ist jedoch auf einem ganz anderen Niveau als der der Graugänse und wird durch die permanete Bejagung unter Kontrolle gehalten.

Zusätzlich entwickelte sich ein weiteres Problem. Der Dümmer ist ein Verlandungssee. Die ihn umgebenden Röhricht-, Weidengebüsch- und Bruchwaldbereiche sind aus dem natürlichen Verlandungs- und Sukzessionsprozess entstanden, der den See über Jahrtausende hat kleiner werden lassen. Da die Röhrichte wie hier beschrieben, in den letzten Jahrzehnten immer weiter zurückgingen, gleichzeitig jedoch im EU-Vogelschutzgebiet Dümmer Röhrichtbrüter wie Rohrdommel und Schilfrohrsänger wertbestimmend sind, mussten Maßnahmen zur Sicherung der Lebensräume und Bestände umgesetzt werden. Dies waren seit den 2000er Jahren u.A. Arbeiten mit Pistenbully und Forstmulcher, mit denen die Gehölzsukzession aufgehalten und noch vorhandene, offene Röhrichte zunächst „über die Zeit gerettet“ werden sollten.

Pistenbully mit Forstmulcher auf einer großen Fräsfläche am Westufer des Dümmers am 15.2.2012. Der starke Frost erlaubte sogar das Arbeiten auf den weichen Niedermoor- und Schwingrasenstandorten. Foto: Marcel Holy
Im Sommer 2013 hat sich die Fräsfläche aus der vorherigen Abbildung, gelegen zwischen dem großen Gehölzbereich und dem Seeufer, vollständig begrünt. In dem Einschnitt zwischen den großen Gehölzbereichen ist eine neue Fräsfläche aus dem Folgewinter zu sehen.

Alljährlich haben sich die Fräsflächen wieder begrünt – entweder mit Mischröhrichten, reinen Röhrichten unterschiedlicher Ausprägungen (z.B. Schilf-, Rohrkolben- oder Wasserschwadenröhrichte) oder Hochstaudenfluren. Teilweise kamen natürlich auch Gehölze wieder auf, konnten aber durch Nacharbeiten zurückgedrängt werden, sodass sich in der Regel relativ gehölzarme Flächen entwickelten.
Ab etwa 2018/2019 funktionierte diese Wiederbesiedlung der Fräsflächen mit Röhricht und anderen Pflanzengesellschaften nicht mehr, da ein hoher Fraßdruck ausgeübt wurde.

Aufnahme des in den vorherigen Bildern gezeigten Uferabschnitts aus dem Juni 2020, nachdem im Vorjahr erneut Fräsarbeiten durchgeführt wurden. Hier sind große unbegrünte Bereiche zu sehen und auch in den unbearbeiteten Bereichen ist die Vegetation größtenteils abgefressen, sodass überwiegend Altschilfhalme aus dem Vorjahr zu erkennen sind. Foto: Marcel Holy
Letztmalig wurden solche Fräsarbeiten im Winter 2019/2020 durchgeführt. Wie hier in der Südbucht sieht man, dass dadurch großflächig „Einfallstore“ für die Gänse geschaffen wurden, die ansonsten überwiegend vom Seeufer am Schilf gefressen haben. Zusätzlich begünstigt wurde die Situation noch durch das Frühjahrshochwasser 2020. So entstanden sichere Brutplätze (im Drohnenbild sind zahlreiche Nester im Schilf erkennbar) und beste Bedingungen für Start, Landung und schwimmende Fortbewegungsweise. Foto: Marcel Holy

Verstärkt wird die Offenhaltung der Fräsflächen noch durch den Karpfen, der sich im Dümmer massenhaft vermehrt hat. Er nutzt die entstandenen, sich schnell erwärmenden Flachwasserbereiche gerne zum Laichen. Durch das Schwimmen, die Nahrungssuche und das intensive Flossenschlagen beim Laichen verhindert der Karpfen zusätzlich zum Fraßdruck durch Graugans, Bisam und Nutria die Wiederbesiedlung mit Röhrichtvegetation.

Drohnen-Senkrechtaufnahme einer Flachwasserzone in einer ehemaligen Fräsfläche in der Südbucht mit über 30 Karpfen. Foto: Marcel Holy
Bis heute haben sich die Fräsflächen nicht wieder mit Vegetation begrünt. Das Bild aus diesem Frühjahr zeigt große Ansammlungen von Graugänsen als kleine helle Punkte im Sielgraben (im Vordergrund) und auf der Wasserfläche etwas links der Bildmitte. Zahlreiche weitere mausernde Graugänse halten sich in der Vegetation auf. Aufnahme aus dem Juni 2025. Foto: Marcel Holy
Auch im Schilfröhricht der Hohen Sieben, einem der letzten ehemaligen Balzplätze der Rohrdommel, hat der Fraßdruck nach der letztmaligen Durchführung von Gehölzarbeiten zum großflächigen Entstehen offener Wasser- und Schlammflächen geführt. Hier sind immer noch die Fahrspuren der Gehölzarbeiten erkennbar, obwohl diese bereits über 5 Jahre zurückliegen. Aufnahme aus dem Juni 2025. Foto: Marcel Holy

Um die aktuell vorhandenen Röhrichte zu erhalten, wäre es eigentlich angebracht, erneut Pistenraupenarbeiten durchzuführen, jedoch soll damit gewartet werden, bis der Fraßdruck soweit abgesenkt wurde, dass sich die Flächen kurzfristig wieder begrünen können. Trotz idealer Bedingungen, was Samenpotenzial und Wassertiefe/Feuchtigkeitsversorgung anbelangt, funktioniert dies im Moment nicht bzw. die vorhandene Vegetation wird sogar noch weiter zurückgedrängt.

Um die ganze Problem-Darstellung nicht auf den Naturschutz zu beschränken: Gerade die Milchviehbetriebe hier in der Region haben mittlerweile große Probleme durch Fraßschäden und Verkotung durch Graugänse im Grünland (unabhängig von den großen Bläss- und Saatgansansammlungen im Winterhalbjahr) und auch die Fraßschäden auf Wintergetreideflächen sind mittlerweile so ausgeprägt, dass manche Flächen nur noch zum Anbau von Mais, Kartoffeln und anderen weniger (Gänse-)schadensanfälligen Feldfrüchten geeignet sind.

Graugänse auf einer Wintergetreidefläche an der Hohen Sieben. Foto: Marcel Holy

Und auch der Tourismus und die Seeökologie sind betroffen.
Da die Gänse gerne an den Badestellen kurzes Gras auf den Liegewiesen abweiden und danach wieder in’s Wasser wandern, führte der dort abgegebene Kot in der Vergangenheit häufig zu hohen Fäkalkeimbelastungen und in der Folge zur Sperrung von Badestellen. Mittlerweile wurden zahlreiche Gegenmaßnahmen umgesetzt, mit denen die Badestellen im sogenannten „Change-Verfahren“ wieder freigegeben wurden. Hierzu zählen das Aufstellen von Gänsezäunen, der Bau der großen Steinverwallung als Gänsebarriere an der Badestellen an der Seestraße in Lembruch und die Förderung der Durchströmung von Badestellen, um die Vermehrung von Bakterien in stehendem Wasser zu reduzieren.

Kot im Bereich der Badestellen führt zu erhöhter Fäkalkeimbelastung und war in der Vergangenheit ein Grund für Sperrungen von Badestellen. Foto: Marcel Holy

In der Bewertung nach der EG-Wasserrahmenrichtlinie gibt es verschiedene Qualitätskomponenten. Dazu zählen bei den biologischen Qualitätskomponenten u.A. die vorkommenden Fischarten und ihre Bestandsstruktur sowie das Makrozoobenthos (Würmer, Schnecken, Muscheln, Krebstiere, Insektenlarven), die natürlich von Strukturen wie aquatischen Schilf- und Teichbinsenröhrichten massiv profitieren. Ein Teil der hydromorphologischen Qualitätsbewertung ist die Uferstruktur. Zu den in den letzten Jahren sehr schlechten Bewertungen des Dümmers haben die derzeit stark verarmten Ausprägungen der genannten Bewertungsfaktoren maßgeblich beigetragen. Im letzten Jahr hatte der Dümmer die schlechteste Bewertung überhaupt.

Was sind also aktuelle Maßnahmen? Zum einen führen wir weiter fraßgeschützte Neuanpflanzungen durch. Die erste davon, die auch eine als Lebensraum relevante Größe hatte, entstand 2020 am Olgahafen. Hier zeigte sich, dass auch auf größerer Fläche Initialpflanzungen schnell zu bedeutenden Lebensräumen für Fische, Vögel und Insekten werden können, wenn denn der Fraßschutz funktioniert.

Zweigeteilte Pflanzung am Olgahafen. Der Streifen entlang der Buhne wurde im Mai 2020 gepflanzt und hat sich bis zum Aufnahmedatum im August 2021 bereits hervorragend entwickelt. Auch die Teichbinsen sind üppig gewachsen. Der linke Streifen wurde im Juni 2021 gepflanzt und kämpft seitdem immer wieder mit eindringenden Gänsen. In diesem Jahr wurde sogar der ganze vordere Bereich durch einen Schaden am Zaun von Gänsen abgefressen. Dies ist besonders ärgerlich, da selbst etablierte Pflanzungen immer wieder neu gesichert werden müssen und beim aktuellen Fraßdruck nie sich selbst überlassen werden können.

Gleiches gilt für die Anpflanzung an der Hohen Sieben, die wir mit Fördermitteln der Postcode-Lotterie errichtet haben. Da wir meistens Südwestwind haben, liegt die Pflanzung sehr windexponiert und wir haben immer wieder mit Löchern im Zaun zu kämpfen. Dieser Kampf gegen den Fraßdruck ist mittlerweile wirklich ernüchternd, denn die Pflanzung hat das Potenzial sich gut zu entwickeln, wird aber immer wieder abgefressen.

Schilf- und Binsenanpflanzung an der Hohen Sieben mit zahlreichen Pflanzen, die nur darauf warten, sich endlich frei entwickeln zu können. Die Aufnahme aus dem Jahr 2024 täuscht jedoch über die starken Fraßschäden in diesem Jahr hinweg. Hier muss sich dringend etwas ändern und es kann eigentlich nicht der Sinn der Sache sein, Hochsicherheitstrakte im See zu errichten, nur um ehemals weit verbreitete Pflanzen zum Wachsen zu bringen.

In unserer neuesten Anpflanzung in Eickhöpen haben wir gerade diese intensiven Sicherungsmaßnahmen dann doch umgesetzt, um nicht eine weitere Zaunbau-Dauerbaustelle oder Demonstration für Misserfolge durch Tiere, die Löcher im Zaun finden und alles, was bis dahin aufgebaut wurde, wieder abfressen, zu schaffen.
Da man mit solchen Einzäunungen aber auch alle möglichen Tiere aussperrt, die eigentlich von solchen Bereichen profitieren sollen, ist das bestenfalls eine Überbrückungsmaßnahme.
Immerhin der ständig anwesende Eisvogel und die Schwalben freuen sich über zahlreiche Sitzgelegenheiten.

Röhrichtpflanzung in Eickhöpen. Gepflanzt wurden Schilf und Teichbinse. Zusätzlich wurde der vorhandene Schilfbestand am Ufer zum Schutz vor hungrigen Tieren eingezäunt. Der Zaun hält nun nicht nur hungrige Vögel und Säugetiere fern, sondern auch wühlende Karpfen, wie die üppige Entwicklung des Kammlaichkrauts innerhalb der Maßnahmenfläche zeigt.

All dies bringt uns nun zur Bestandsreduktion der Graugans, über die ja viel in den Medien zu lesen und zu sehen war.

Der Bestand der Graugans ist, wie Synchronzählungen, die wir gemeinsam mit dem NLWKN seit zwei Jahren durchführen, auf über 6.000 Exemplare angestiegen und durch das nach wie vor laufende Prädatorenmanagement zum Wiesenvogelschutz ist der Graugansbestand nach wie vor sehr vermehrungsfreudig. Und nicht nur das – die Graugans ist auch eine sehr langlebige Art. Der vorhandene Bestand wird also auch nicht in naher Zukunft wegen Überalterung zusammenbrechen. Das Gegenteil ist der Fall und deshalb haben wir bereits vor drei Jahren begonnen, den Bestandszuwachs zu reduzieren, indem wir (mit Genehmigung natürlich) Eier angebohrt haben.
Das haben wir zunächst nur im Röhricht der Südbucht und an der Hohen Sieben gemacht, wo zwar viele Nester sind, aber durch die hohe Gänsedichte auch ein hoher innerartlicher Stress herrscht und ohnehin viele Nester wieder aufgegeben werden.

Anbohren von Grauganseiern im Schilfröhricht. Mit dem Tablet steuern wir die vorher per Drohne verorteten Nester an. Foto: Marcel Holy.


Im Feuchtgrünlandteil des Schutzgebiets liegt der Schlupferfolg deutlich höher. Bislang dachten wir, dass dort zumindest weniger Nester sind als im Röhricht. Das erstmalige Anbohren von Eiern auch im Grünland des Ochsenmoors hat uns allerdings in diesem Frühjahr eines Besseren belehrt. Alleine im nördlichen Ochsenmoor und entlang der Hunte haben wir über 400 Graugansnester gefunden! Das macht, ebenso wie die Synchronzählungen mit dem NLWKN deutlich, dass der Bestand bislang deutlich unterschätzt wurde.

Da wir die Eier ja nur in der ersten Hälfte der Bebrütung anbohren dürfen, suchen wir die Nester sehr zeitnah auf, was allerdings dazu führt, dass viele sogar noch in der Legephase sind. Man weiß also nicht, wie viele unbehandelte Eier nach dem Anbohren noch dazu gelegt werden. Zum Teil schaffen wir es, die Eier die beim ersten Durchgang noch in der Legephase waren, noch ein zweites mal aufzusuchen, gerade im Feuchtgrünland verzichten wir aber in vielen Bereichen darauf, da man viele Wiesenvögel und Enten schon sehr stark beim Revieregründen, Balzen oder Brüten stört.
So kommt trotz des Anbohrens immer noch ein Teil der Eier zum Schlupf. Und jedes Gelege finden wir auch nicht bzw. lohnt in manchen Teilen des Schutzgebiets das Suchen nach einzelnen Nestern auch den Aufwand nicht.

Im gesamten Nordteil des Schutzgebiets haben wir bislang garkeine Eier angebohrt, sodass hier natürlich weiterhin reichlich Nachwuchs groß werden und den Gänsebestand hoch halten konnte.

Zusätzlich erfolgte bislang zwischen Juli und September die Bejagung auf Acker- und Intensivgrünlandflächen außerhalb des Schutzgebiets. Dabei konnten in manchen Jahren deutlich über 1.000 Graugänse innerhalb dieses dreimonatigen Zeitraums erlegt werden, jedoch hat dies nie ausgereicht, um den Bestand zu reduzieren. Selbst in einem Jahr wie diesem, in dem im Südteil des Schutzgebiets der Großteil der Eier angebohrt wurde, sind im gesamten Schutzgebiet noch über 1.000 neue Graugänse geschlüpft, wie unsere Synchronzählungen ergeben haben.

Ab Oktober, wenn sich die Graugänse mit den ersten nordischen Gänsen, die ja in Niedersachsen keine Jagdzeit haben, mischen, beenden wir die Bejagung außerhalb des Schutzgebiets.

Neben den erfolgreichen Jahren gab es auch solche, in denen nur 300-400 Gänse erlegt werden konnten, weil keine geeigneten Flächen zur Bejagung zur Verfügung standen. Dies war z.B. dann der Fall, wenn witterungsbedingt viel Getreide zur selben Zeit gedroschen wurde und sich dadurch keine Flächen herausgebildet haben, die von sehr vielen Gänsen gleichzeitig zur Nahrungssuche genutzt wurden. Nur dort lohnt sich dann die Bejagung. In manchen Jahren lagen die von den Gänsen genutzten Flächen auch zu nah an Straßen oder Siedlungen, sodass dort aus Sicherheitsgründen nicht gejagt werden konnte.

Lockjagd auf Graugänse mithilfe von Gänseattrappen und getarnten Gänseliegen. Foto: Marcel Holy

Der dauerhaft von den Graugänsen genutzte Raum im Schutzgebiet ist bislang jagdlich tabu gewesen. Hier soll sich nun nach dem Willen von NLWKN und NUVD etwas ändern, um durch Fachpersonal, das einschätzen kann, wann und wo eine Erlegung von Graugänsen tierschutzrechtlich unbedenklich ist und nicht zu Störungen anderer Arten führt, endlich signifikant in den Graugansbestand eingreifen zu können. Dabei geht es zum einen um die Bejagung von Nichtbrütern in der Schonzeit, also Gänsen, die truppweise sitzen und dadurch anzeigen, dass kein brütender Partner irgendwo in der Nähe auf dem Nest sitzt. Zum anderen geht es schlicht um die Öffnung der Jagd nach der Brutzeit, wenn im Schutzgebiet außer Greifvögeln, Störchen, Staren und Graugänsen ohnehin nichts zu sehen und zu stören ist. Hier könnte dann endlich so weit in den Gänsebestand eingegriffen werden, dass in der Kombination mit dem Anbohren der Eier eine Absenkung des Bestandes möglich wäre.
Dramatisierungen, dass Gänse vom Nest geschossen werden oder der Partner des brütenden Altvogels erlegt würden, sind also völlig aus der Luft gegriffen und haben sicher keine sachliche Diskussion des Themas zum Ziel…

Die Gänsebejagung hat somit ein klares Ziel im Sinne des Natur- und Artenschutzes, findet aber natürlich nicht als reine Bestandsreduktion statt, sondern auch zur Gewinnung hochwertiger Lebensmittel, das heißt alle erlegten Graugänse werden selbstverständlich verwertet und nicht einfach entsorgt.

Fazit zum Schluss: Wenn der Schutz und die Ausdehnung von Röhrichten als Lebensraum für Fische, Vögel, Insekten und andere Artengruppen am Dümmer nicht hinter Zäunen stattfinden soll – was aus rechtlichen Gründen garnicht geht, denn diese Lebensräume müssen für ebendiese Artengruppen zugänglich sein – führt an einer Reduktion der Tiere, die das Röhricht aktuell maßgeblich schädigen, kein Weg vorbei. Für die beiden invasiven Arten Bisam und Nutria erfolgt dies bereits in einer Weise, die dem Röhricht das Wachstum ermöglichen würde. Für die Graugans wurde es mit dem Anbohren von Eiern und der Bejagung außerhalb des Schutzgebiets versucht, jedoch ohne Erfolg. Hier würde die Bejagung innerhalb des Schutzgebiets – wohlgemerkt tierschutzgerecht und störungsarm durchgeführt – endlich die notwendige Effektivität bieten.

Ich hoffe, diese umfassende Darstellung hilft, das zu verdeutlichen. Die Fotos und Daten sind zum Teil schon älter, aber an den Wirkzusammenhängen hat sich nichts geändert.

Marcel Holy, NUVD

Schilfsteg?

Wenn die Entwicklung sich so fortsetzt, wird der „Schilferlebnis- und Beobachtungssteg“ an der Hohen Sieben immer weniger Schilferlebnis zu bieten haben. Das Schilf wird durch den hohen Fraßdruck immer weiter reduziert und die Weidenbüsche breiten sich aus.

In rot sind die Bereiche mit aktuell (am 5. Juni 2025) noch nicht abgefressenem Schilf markiert. Die restlichen Bereiche bestehen aus abgefressenem Schilf, Weidengebüsch und Bäumen sowie Schlammflächen.

Im hinteren Bereich ist teilweise bereits keine Vegetation mehr zwischen dem See und dem Gewässer, auf das man vom Schilfsteg blickt, vorhanden. Da der Bereich aus der Beobachtungshütte nicht einsehbar ist, fällt das nur noch nicht so auf.

Aber auch aus der Beobachtungshütte ist der Blick relativ trostlos.

Text und Bilder: Marcel Holy